Die gebrochene Schrift
Vom 12. Jahrhundert bis zum »Normalschrifterlass« 1941 wurde im deutschsprachigen Raum überwiegend die gebrochene Schrift benutzt, unter anderem die Schriftarten Textura, Rotunda, Schwabacher oder Fraktur.
Die gebrochene „deutsche“ Schrift unterscheidet sich von der „runden, lateinischen“ Antiqua vor allem durch das Aussehen der Buchstaben. Vor allem die kreisrunden Formen etlicher Buchstaben wurden oben und unten durch „Knicke“ aufgebrochen, so dass die Buchstaben schmaler sind als die runden.
Besonderheiten gibt es auch in der Rechtschreibung des Buchstabens s. Je nach der Stellung im Wort und dem Sinnzusammenhang wird eingesetzt
- das lange s (ſ): im Anlaut und Wort-Inneren,
z. B.= schreiben,
= Gast
- das runde s (s): am Wort-Ende, bei Zusammensetzungen auch innerhalb,
z. B.= Gas,
= Gasturbine
Leider ging dieses Wissen offenbar verloren, so dass das lange s beim heutigen dekorativen Einsatz der gebrochenen Schrift oft falsch durch ein rundes s ersetzt wird. Die Schreibweise ist aber unhistorisch und zeigt nur, dass es sich gerade nicht um eine uralte Einrichtung handelt – sonst stünde da
.
Ein weiterer wichtiger Unterschied war der Einsatz sogenannter Zwangsligaturen: die Buchstabenkombinationen ch, ck, st und tz waren (außer an Wortfugen: , aber
) ein Zeichen, so wie heute noch ß.
Der Merkspruch »Trenne nie ſt, denn es tut ihm weh!« bezog sich nur auf das lange s – ein st kann immer getrennt werden.
Auch die Zwangsligaturen werden heute geflissentlich ignoriert, wie folgendes Beispiel zeigt: Auerbach hat beim ch die Ligatur , die eigentlich nicht auseinander geschrieben werden darf!
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Historisches Original (Goethes Faust)
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Historisierende Kopie (Mädlerpassage)
Übrigens sieht man hier auch, dass der heute verpönte „Deppen-Apostroph“ bei Auerbach’s schon vom großen Goethe genutzt wurde…